Bentzeradt, Charles

Charles de Bentzeradt

Charles de Bentzeradt

Karl Heinrich von Bentzeradt

46. Abt der Zisterzienserabtei Orval 1666/68–1707; Reformer

* 13. Aug. 1635 Echternach
† 12. Juni 1707 Orval

Charles Henri de Bentzeradt wurde am 13. August 1635 als Sohn einer schon seit mindestens 16 Generationen dem Adelsstand angehörigen Familie in Echternach im Herzogtum Luxemburg geboren. Seinein Vater Jean-Guillaume war dort leitender Beamter der alten Benediktinerabtei Echternach; seine Mutter hieß Madeleine de Ville-sur-Iron.

Am 11. Juni 1655 wurde er von dem ebenfalls auch Echternach stammenden Abt Henri De Meugen als Novize eingekleidet, im Exil in Montmédy, denn die Abtei Orval war am 11. August 1637 von der Soldateska des französischen Marschalls Gaspard de Coligny niedergebrannt worden. Als auch Montmédy am 6. August 1657 vor den Franzosen kapitulierte, gaben die Mönche ihr Exil auf und kehrten nach Orval zurück, das noch im Wiederaufbau war. Als Abt Jacques Minguet von Châtillon die Abtei 1658 im Auftrag des Abtes von Clairvaux visitierte, bestand der Konvent aus 12 Priestermönchen, vier Novizen und acht Konversen (Laienbrüdern). Als sich Abt De Meugen 1665 wegen seiner nachlassenden Gesundheit entschloss, um einen Koadjutor zu bitten, zählte die Gemeinschaft schon wieder 27 Mönche und 14 Konversen. Aus der Ende August 1665 von staatlichen Kommissaren abgehaltenen Wahl ging Charles de Bentzeradt als Zweitplatzierter hervor (der erste war François Bienaise, ein Franzose) und wurde – nachdem der Gouverneur der Niederlande seine Zustimmung erteilt hatte – am 10. März 1666 feierlich eingesetzt, erst 30 Jahre alt. Zwei Jahre später, am 15. März 1668, übernahm er den Abtstab und wurde am 8. April von Weihbischof Johannes Holler, seinem Landsmann und Freund, im Trierer Dom benediziert (die Abteikirche von Orval war noch im Bau).

In den folgenden Jahren seines Abbatiats machte sich Bentzeradt, dem die Reformen seiner Vorgänger Lambert de Hansimbourg und Bernard de Montgaillard nicht weit genug gegangen waren (es war auch durch den Krieg zu Lockerungen der Disziplin gekommen), an die Reform der Abtei Orval im Sinne einer Rückkehr zu ursprüngliche Lebensweise von Cîteaux, zunächst nach dem Vorbild des Abtes Armand-Jean de Rancé in La Trappe. Noch vor seiner Weihe schrieb er an Rancé, der ihm am 24. März 1668 antwortete und den er am 12. April 1688, vier Tage nach seiner Benediktion, in Châtillon persönlich traf. Von dessen Rigidität abgeschreckt, entschied sich Bentzeradt schließlich, nachdem er noch einen Mönch als Hospitanten nach La Trappe geschickt hatte, zu einer Reform eigener Art, deren Grundzüge er am Ostersonntag, 25. März 1674, dem versammelten Kapitel präsentierte. Der Prior und etwa zwanzig Mönche lehnten rigoros ab, nur fünf stimmten dem Reformvorhaben zu.

Erwartungsgemäß nahmen die Spannungen in der Gemeinschaft zu. Die Gegner der Reform gingen so weit, ihren Abt des Wahnsinns anzuklagen, der Prior denunzierte ihn bei Hof als Staatsfeind. Am 2. August 1676 rechtfertigte sich Bentzeradt in einem langen Schreiben an den spanischen König. Die Mönchsgemeinschaft spaltete sich in zwei Gruppen, die Abstinenten (Vegetarier) und die anderen. Wie zu Zeiten des Abtes Hansimbourg (reg. 1588–1596) gab es zwei getrennte Refektorien (Speisesäle). 1683 wurde die Handarbeit allen auferlegt, das Offizium (Stundengebet) Tag und Nacht gebetet, die Orgel nicht mehr verwendet.

Trotz aller Widerstände nahm die Reform langsam Fahrt auf. 1684 zählten schon 40 von 52 Chormönchen zur Reformpartei, ebenso wie 12 der 16 Konversen. Das alte samstägliche mandatum, die Fußwaschung mit anschließender gemeinsamer Lesung wurde wieder eingeführt, im Advent und in der Fastenzeit wurde das Essen mit Öl zubereitet. Die Abstinenzler dehnten das Fasten auf 14 Stunden aus und beteten an Sonn- und Feiertagen um 1:30 Uhr nachts die Vigil. 1685 wurde in Übereinstimmung mit dem Armustgelübde den Religiosen das Peculium, das private Taschengeld, entzogen. Eine eucharistische Taube ersetzte den Tabernakel, Kirchenmobiliar und päpstliche Ämter wurden reglementiert. 1686 wurde die Bekleidung vereinfacht, die Mönche schliefen in ihren Kutten. Während der Fastenzeit wurde die einzige Mahlzeit des Tages nach der Vesper gegen 16.00 Uhr eingenommen. Das Schweigegebot wurde eingeführt; die sterbenden Mönche wurden auf Asche auf dem Fußboden gebettet. Von 1692 an wurde das Offizium komplett gregorianisch gesungen, ab 1701 alle Mönche, auch die Äbte, auf dem Friedhof begraben (statt in der Abteikirche).

Die von Bentzeradt eingeführte Reform entsprach im Großen und Ganzen der Regel des hl. Benedikt und damit den Idealen der ersten Zisterzienser (abgesehen von Einzelheiten wie den auf der Asche liegenden Kranken). Am 25. März 1700, 26 Jahre nach dem Beginn der Reform, wurde die Abtei Orval vom spanischen Königshof in Madris als „Convendo reformado de S. Bernardo“ bezeichnet.

Der Großteil der Reformen wurden während der Besetzung Luxemburgs durch die Franzosen eingeführt (1681–1697). Abt Bentzeradt nutzte die politische Lage, um sein Kloster der französischen Reformbewegung der strengen Observanz zu affiliieren. Beim Generalkapitel vom 17. Mai 1683 wurde er zum Generalvikar der Provinzen Picardie und Champagne ernannt, am 2. Mai 1684 hielt er zur Eröffnung des Generalkapitels das Heiliggeistamt im Collège Saint Bernard in Paris und leitete mehrere Sitzungen. Während einer dieser Sitzungen musste er den Prior von Vaux-de-Cernay in seine Schranken weisen, der ihm vorwarf, selbst sein Noviziat nicht in einem Kloster der strengen Observanz absolviert zu haben und Fremde in die Abteien La Chalade und Haute-Fontaine eingeführt zu haben. Generalabt Jean Petit, der selbst nicht der strengen Observanz angehörte, kritisierte auf dem Generalkapitel einige allzu strenge Praktiken in den Klöstern Orval, La Trappe, Sept-Fons (Abt Eustache de Beaufort) und Tamié (Abt Jean-Antoine de La Forest de Somont) als mit den Gebräuchen des Ordens unvereinbar, jedoch verteidigte Abt Bentzeradt sie mit großer Eloquenz und hob die Verdienste des Abtes Rancé hervor.

Abt Bentzeradts Ambitionen gingen jedoch noch weiter: 1688 wollte er die päpstliche Bestätigung seiner Reform erreichen, 1701 ihre Ausdehnung auf alle niederländischen Klöster, erhielt aber nie eine Antwort. 1701 gründete er das bald zur Abtei erhobene Tochterkloster Düsseltal bei Düsseldorf (Abt Chrysostomus Mintard) und das Priorat Conques an der Semois. 1710 – nach Bentzeradts Tod – führte der Herzog von Lothringen mit Mönchen von Orval die Reform in der Abtei Beaupré bei Lunéville ein (Abt Anselme de Bavay, vorher Prior in Orval).

Am Montag, 16. Mai 1707, von einer Krankheit getroffen (Schlaganfall?), starb Abt Bentzeradt am Pfingstsonntag, 12. Juni 1707, abends gegen 21 Uhr, und wurde am nächsten Tag nach der Vesper seiner Verfügung gemäß auf dem Friedhof der Mönche beerdigt. Die Klostergemeinschaft bestand aus etwa 130 Chormönchen und Laienbrüdern. Sein Nachfolger wurde Étienne Henrion.

Während Bentzeradts Amtszeit und unter seinem Nachfolger Henrion fanden zahlreiche aus Frankreich vertriebene Jansenisten in Orval Zuflucht, was der Abtei den Vorwurf des Jansensimus und 1725 eine durch die Spaltung des Konvents verursachte Krise einbrachte.

gge, Feb. 2019


Daten:

Vest.: 11. Juni 1655; Abbas: el. (24.?) Aug. 1655, inst. 10. März 1666, ben. 8. April 1668.

Literatur:

Grégoire, Paul-Christian: L’abbaye d’Orval au fil des siècles, Metz: Éditions Serpenoise, 2002 · Ders.: Les trois réformes de l’abbaye d’Orval, in: Cîteaux 1988, S. 99–156 · Tillière, Nicolas: Histoire de l’abbaye d’Orval. 7. Auflage. Villers-devant-Orval: Éditions d’Orval, 1967.

Zitierempfehlung: Bentzeradt, Charles, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 22.05.2020, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Bentzeradt,_Charles

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