Ferrari, Franco

Francesco Ferrari

Franco Ferrari

Zisterzienserabt, Bibliothekar, Konsultor der Indexkongregation

* um 1635 wahrscheinlich Mailand
† 1711 Mailand

Der spätere Abt Franco Ferrari stammte aus der Lombardei, geboren wohl um 1635 wahrscheinlich in Mailand. In der Familie gab es offenbar einiges Vermögen, wie man aus einer späteren Erbschaft schließen darf, ohne dass man bisher Genaueres über die Eltern wüsste. Am 25. Januar 1652 legte Ferrari seine Ordensgelübde in der Abtei Chiaravalle (Mailand) ab und studierte in Rom, Santa Croce in Gerusalemme, wobei hierfür die genauen Zeiten und Daten bisher nicht dokumentiert vorliegen. Sein Lehrer war Ilarione Rancati, Bibliothekar in der Abtei S. Croce und besonderer Vertrauter Papst Alexanders VII.

Ferrari übernahm gleich nach dem Studium eine Stelle als Lektor in S. Croce, wo er sich besonders im Umfeld seines Lehrers und Förderers Rancati bewegte, seit 9. August 1659 auch offiziell als dessen Sekretär. Hierfür soll Papst Alexander VII. eine Sondererlaubnis erteilt haben, offenbar als Ausnahmeregelung von den Ordensstatuten, die für Rancati eine derartige Erleichterung und spezielle Hilfskraft nicht vorsahen. Der gleiche Papst erlaubte auch, dass Rancati, der einige Ämter innerhalb der päpstlichen Kurie, u.a. als Berater und Gutachter (Konsultor) der Kongregation der Inquisition, innehatte, für die bei dieser Behörde anfallenden Arbeiten Ferrari als seinen Assistenten hinzuziehen dürfe, trotz der strengen Geheimhaltungsvorschriften für die dort verhandelten Angelegenheiten.

Bekanntlich engagierte sich Alexander VII. vor allem gegen die theologisch-philosophische Richtung, die auf den belgischen Bischof Cornelius Jansen zurückging (Jansenismus), und gegen dessen streng-rigorose Haltung besonders in moralischen Fragen. Gegen diesen hatte schon Papst Innozenz X. „Fünf Sätze“ (Quinque propositiones) aus dem Buch des Bischofs zurückgewiesen (1651). Als man in Frankreich und Belgien diese Sätze als erfundene und nur fälschlich dem Bischof angelastete Thesen darstellte, wollte Alexander VII. diesen „Vorwand“ widerlegen und befasste zur Erstellung seines feierlichen Schreibens Ad sanctam beati Petri sedem (1656) auch Rancati an den Vorbereitungsarbeiten in der entsprechenden Studienkommission. An diesen wurde indirekt auch Ferrari als Rancatis „adiutor studiorum“ beteiligt. Gleichzeitig fungierte Ferrari als Rancatis Bibliothekar in S. Croce und erbte nach dessen Tod 1663 einen beträchtlichen Buch- und Handschriftenbestand.

Diese Testamentsverfügung und die damit zusammenhängenden Fragen der künftigen Verwaltung und Finanzierung durch eine Art eigener Stiftung, durch die sich die Verfügungsmöglichkeiten durch den Abt allzu stark einschränkten, schuf Konflikte innerhalb des Ordens. Verursacht hatte alles Rancati durch seine nicht ganz unbegründete Befürchtung, die Bibliothek könne ohne sachgemäße Verwaltung bleiben und Schaden nehmen, oder der ihm vertraute Nachfolger Ferrari könne gar durch seine Ordensvorgesetzten aus Rom entfernt werden, zum Nachteil für die Bibliothek. Tatsächlich beantragte Ferrari im Jahre 1671 beim Papst seine Ernennung zum Konsultor der Kongregation für den Index. Hintergrund war nicht so sehr Ferraris Verlangen, für diese Kongregation zu arbeiten, sondern in den Genuss eines besonderen päpstlichen Privilegs zu gelangen. Demnach sollten die Konsultoren der Indexkongregation nicht ohne päpstliche Erlaubnis aus Rom versetzt werden; Ferrari scheint eine Abschiebung aus Rom oder eine ähnliche Anordnung seiner Vorgesetzten befürchtet zu haben, und eine solche hoffte er durch seine Ernennung zu verhindern. Der Papst sprach sogleich die erbetene Ernennung zum Konsultor aus (18. November 1671: Quellen. Schwedt).

Dass Ferrari kaum Interesse an den Arbeiten der Indexkongregation, sondern nur am Titel eines Konsultors hatte, wird erhärtet dadurch, dass er sich an den Geschäften dieser Behörde nicht oder kaum beteiligte (kein Zensurgutachten von ihm wurde bisher nachgewiesen). Zu einem noch nicht bekannten Zeitpunkt verließ Ferrari Rom, vermutlich im Zusammenhang mit einer Versetzung oder einer Wahl zum Abt eines Klosters in Norditalien. Hierbei könnte es sich um die Abtei Santa Maria dell’Acquafredda bei Lenno (heutige Provinz Como) gehandelt haben. Später ist Ferrari als Abt von S. Giovanni Battista in Caravaggio (bei Bergamo, Lombardei) bezeugt. In historischen Untersuchungen, unter anderem durch den Bibliothekar und Historiker Achille Ratti (später Papst Pius XI.), werden einige Details aus dem Leben des Zisterziensers und auch Bauarbeiten in Caravaggio erwähnt, darunter in der Bibliothek, die Ferrari als Abt durchführen ließ und infolge einer Erbschaft finanzieren konnte. In den letzten Jahren, für die noch keine genaueren zeitlichen Umstände bekannt wurden und in denen er sich seinem schon seit frühen Jahren betriebenem Lieblingsgebiet der Mathematik widmete, lebte Ferrari in der Zisterzienserabtei S. Ambrogio in Mailand, wo er 1711 starb.

Ferrari verfasste einige Bücher, die ungedruckt blieben und die sich um das Jahr 1740 in der Bibliothek der Abtei Caravaggio befanden. Dies berichtet im Jahre 1745 der Mailänder Kanoniker Giovanni Andrea Irico in einem Buch (s.u.) über seine Heimatstadt Trino (heute Provinz Vercelli) und über den seligen Abt Olierius von Trino (Oglerius Tridinensis), der um das Jahr 1310 in der Zisterzienserabtei Santa Maria di Lucedo bei Trino verstarb. Der Schriftsteller G. A. Irico nennt in seinem Buch den Abt Ferrari einen Mann von einzigartiger Gelehrsamkeit („Abbas D. Francus Ferrarius Mediolanensis, vir singularis eruditionis“). Dieser habe in seinen Büchern auch alte Quellen aus dem Archiv der Abtei S. Maria di Lucedo verwertet und daraus Texte exzerpiert, mit wichtigen Nachrichten zur Geschichte dieser Abtei und zum Leben des seligen Abtes aus dem Mittelalter („quae Abbas Ferrarius e vetustis Archivi Locedii monumentis excerpere studuit“). Diese Quellen ließ der Abt des Zisterzienserklosters S. Giovanni Battista in Caravaggio, D. Alessandro Maria Visconti, um 1745 für den Mailänder Kanoniker Irico abschreiben, sodass heute in dessen Buch die inzwischen verschollenen Darstellungen und Texte des Abtes Ferrari indirekt weiterleben. Aus dem Werk des Kanonikers von 1745 ergibt sich für die Biographie des Abtes Ferrari selber, dass dieser sich also wenigstens zeitweilig in der Abtei von Lucedo bei Vercelli aufgehalten haben muss, wovon freilich keine anderen bekannten Quellen berichten.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts berichten der Kanoniker Argelati und der Zisterzienser und Historiker Angelo Fumagalli, dass viele handschriftliche Bücher Rancatis in den Besitz Ferraris kamen und zusammen mit dessen Schriften nach dessen Tod in der Zisterzienserabtei S. Ambrogio in Mailand aufbewahrt wurden. Nach Auflösung des Klosters 1799 verteilte man die Buch- und Handschriftenbestände, teilweise auch mehrfach an verschiedene Stellen der Stadt, wobei die von Rancati und Ferrari stammenden Stücke dann meist wieder an ihren alten Ort gelangten, die heutige Städtische Bibliothek S. Ambrogio in Mailand.

Ein von Ferrari verfasster Bibliothekskatalog wurde 1990 veröffentlicht (M. Palma).

Herman H. Schwedt, Feb. 2014‎


Unveröffentlichte Quellen:

Archivio Congregazione per la Dottrina della Fede, Index, Protocolli vol. 56, 1664–1672, Blatt 194 [Ferraris Antrag an den Papst mit Bitte um Ernennung zum Konsultor der Indexkongregation, mit wenigen Angaben zum eigenen Lebenslauf, ohne Datum]; ebd., Index, Diari vol. 7, 1665–1682, Bl. 33v [Ernennung zum Konsultor].

Literatur:

Argelati, Filippo: Bibliotheca Scriptorum Mediolandensium […]. Mediolani: in Aedibus Palatinis 1745, vol. 1, S. 603–605 · Fumagalli, Angelo: Vita del P. D. Ilarione Rancati Milanese dell’Ordine Cisterciense. Brescia: Giambattista Bossini 1762, S. 7–8, 149 [Digitalisat] · Irico, Giovanni Andrea: Rerum patriae libri III […]. Accedit dissertatio de S. Oglerio celeberrimi Lecidiensis monasterii abbate, chronologica ipsius praesulum serie locupletata, cum figuris. Mediolani: typis Palatinis 1745, S. 11 · Masotti, Arnaldo: Matematica e matematici nella storia di Milano, in: Storia di Milano, vol. 16. Principio di secolo. Milano 1962, S. 713–814, hier S. 758 · Palma, Marco: Sessoriana. Materiali per la storia dei manoscritti appartenuti alla biblioteca romana di S. Croce in Gerusalemme. Roma 1980, S. 1–91 [Edition des Bibliothekskatalogs von Ferrari] · Ratti, Achille: La miscellanea chiaravallense e il libro dei prati di Chiaravalle. Notizia di due codici monascritti, Archivio storico lombardo ser. 3, vol. 4, 1895, S. 100–142, hier S. 104–105 · Schwedt, Herman H. (unter Mitarbeit von J. Hasecker, D. Höink und J. Schepers): Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1701–1813. Paderborn 2010, hrsg. v. H. Wolf, Bd. 1, S. 488–489 · Trasselli, Franca: Ilarione Rancati. Milanese dell’Ordine cisterciense, il Collegio di studi e la biblioteca romana di S. Croce in Gersusalemme, in : Aevum 81, 2007, S. 792–876, besonders S. 805, 843–844.

Zitierempfehlung: Ferrari, Franco, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 13.09.2023, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Ferrari,_Franco

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