Giulini, Livio

Livio Giulini

Livio Giulini

erster Abt der strengen Observanz in Casamari 1717–1718

* 1669 Como
† 10. Aug. 1718 Casamari

Livio Giulini, Taufname Demetrio, entstammte einer Mailänder Adelsfamilie. Er wurde 1669 in Como als Sohn von Giuseppe Giulini und Livia Casanova geboren. In jugendlichem Alter trat er in die Zisterzienserabtei der gemeinen Observanz Sant’Ambrogio Maggiore in Mailand ein, wo er zur Professablegung den Namen Livio annahm, in Erinnerung an seine Mutter. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie wurde er zum Priester geweiht. Anschließend wurde er an die Abtei Santa Croce in Gerusalemme in Rom versetzt, wo er mehrere Jahre lang Philosophie und Theologie lehrte.

Angezogen von einer strengeren Observanz, entschied er sich in Rom, in das Kloster Buonsollazzo im Großherzogtum Toskana überzutreten. Dazu war jedoch die Zustimmung seines Oberen und der Apostolischen Pönitentiarie erforderlich. Abt Stefano Reina wollte ihn nicht gehen lassen, weil er einen Ordensmann mit seinen Qualitäten nicht verlieren wollte und befürchtete, dass Giulini weitere Mönche für die strengere Lebensform gewinnen könnte. In Übereinstimmung mit dem Abt lehnte auch die Apostolische Pönitentiarie unter dem Vorsitz von Kardinal Fabrizio Paolucci – für die die strenge Reform kein vom Heiligen Stuhl anerkanntes Institut war – Giulinis Antrag ab. Nur auf Intervention von Anton Maria Fede, einem Agenten des Großherzogs der Toskana, der den Übertritt verständlicherweise befürwortete, gab Papst Clemens XI. schließlich am 1. August 1710 dem Antrag statt.

Vor Erreichen des Klosters Buonsollazzo, wurde Fr. Livio von Großherzog Cosimo III. von Toskana empfangen, der die strenge Observanz in jeder Hinsicht förderte – u.a. indem er die alte Kirche und das Kloster abreißen und in den Jahren 1707 bis 1720 nach den Bedürfnissen der Mönche neu aufbauen ließ. Im selben Monat August oder Anfang September traf Livio Giulini schließlich in Buonsollazzo ein und begann sein Noviziat, an dessen Ende er am 14. August 1711 seine feierliche Profess erneuerte. Im folgenden Jahr wurde er zum Präsidenten des Klosters und 1716 zum Prior der Gemeinschaft gewählt.

Als 1717 der Abt von Buonsollazzo, Jacques de Sauvalle, die Mönchsgemeinschaft zusammenstellte, die nach den Bestimmungen des Breve Exposuit Nobis Papst Clemens’ XI. vom 7. April 1717 die strenge Reform in Casamari einführen sollte, stellte er Prior Giulini an deren Spitze. Gemeinsam reisten beide nach Rom, wo sie am 1. und 4. Mai von Papst Clemens in Audienz empfangen wurden, der Giulini mit Datum 22. Mai[1] zum Abt ernannte. Von da reisten die Mönche weiter nach Casamari, wo sie um die Mitte des Monats eintrafen. Die restliche Mönchsgruppe unter der Führung des zum Cellerar bestimmten Malachias d’Inguimbert traf am 29. Mai in Rom ein. Nachdem sie den Segen des Papstes und eine neue Kukulle mit Kapuze erhalten hatten, brachen sie am 1. Juni nach Casamari auf, wo sie am 3. Juni gegen Mittag eintrafen. Am Sonntag, dem 6. Juni 1717, begannen die dreizehn Mönche aus Buonsollazzo das reguläre Klosterleben in Casamari. Abt Giulini, der sich noch von einer schweren Krankheit erholte, nahm die Abtei erst am 14. August 1717, dem Vorabend des Festes der Aufnahme Mariens in den Himmel, feierlich in Besitz und nahm das Gehorsamsgelübde der Ordensleute entgegen; außerdem unterzeichnete er die Konstitution Unigenitus Dei Filius von 1713, mit der Papst Clemens XI. den Jansenismus verurteilt hatte.

Das Kloster befand sich in einem erbärmlichen Zustand, nicht so sehr wegen der Vernachlässigung durch die Zisterziensermönche aus der römischen Provinz, die dort bis vor kurzem gelebt hatten, sondern wegen ihrer begrenzten finanziellen Mittel, die es ihnen nicht erlaubt hatten, irgendwelche Restaurierungsarbeiten durchzuführen. Der bewohnbare Teil bestand aus einem einzigen Gang zum Garten hin, elf oder zwölf Zellen unterschiedlicher Größe, schlecht gepflastert, mit größtenteils unverglasten Fenstern, die nur durch Papier geschützt waren; nur die drei Räume, die dem Kommendatarabt vorbehalten waren, befanden sich in einem guten Zustand.[2] Eine sehr große Zelle, die normalerweise für Gäste genutzt wurde, diente notgedrungen als Unterkunft für die ersten beiden Äbte, Livio Giulini und Alessio Davia.

Die erste und wichtigste Aufgabe des Abtes war es daher, die Voraussetzungen für ein geregeltes klösterliches Leben und den Unterhalt der Gemeinschaft zu schaffen. Kommendatarabt Kardinal Albani, Neffe Clemens’ XI., gab Casamari dreihundert Scudi, die zusammen mit den fünfzig Piastern, die Abt Giulinis Vater gegeben hatte, unter anderem für die notdürftige Renovierung des Refektoriums, der Küche und der Dächer des Schlafsaals verwendet wurden.[3] Der Kommendatarabt sorgte auch für die Ausstattung der Gottesdienste mit Gerät und Gewändern und ließ die Kirche mit wertvollen Gemälden ausstatten und die Altäre neu schmücken. Außerdem zog er die in die eigene Tasche wirtschaftenden Verwaltungsbeamten der Kommende ab und überließ den Mönchen selbst die Bewirtschaftung des Klosterbesitzes.

Dass Abt Giulini nicht alleine um den materiellen Aufbau des Klosters bemüht war, sondern auch großen Wert auf die klösterliche Disziplin legte, zeigt sich u.a. darin, dass er sich zu Beginn des Jahres 1718 nicht scheute, ungeeignete Novizen abzulehnen und nach Buonsollazzo zurückzuschicken. Nachdem sich sein Gesundheitszustand im Frühjahr 1718 wieder verbessert hatte, wie er Abt Sauvalle schrieb, befiel ihn im August d.J. ein schweres Fieber, dem er in den Morgenstunden des 10. August 1718 erlag. Sein Leichnam wurde im Chor der Abteikirche bestattet.

gge, März 2022

  1. Giuseppe Marocco: Monumenti dello stato pontificio e relazione topografica di ogni paese, Band 5, Rom 1834, S. 129.
  2. Das Gebäude war in einem so schlechten Zustand, dass Pater Girolamo Gueuchot in seinen Memoiren gesteht, dass er bei seiner Ankunft in Casamari den Eindruck hatte, nicht vor einem Kloster zu stehen, sondern im Stall von Bethlehem. Derselbe Autor fügt hinzu, dass er zusammen mit dem Bruder Agatone Olivieri nicht weniger als fünfzehn Tage damit verbrachte, die Zellen und Werkstätten der Abtei vom gröbsten Unrat zu befreien.
  3. All diese provisorischen und unsystematischen Reparaturen verschwanden später in der Regierungszeit des dritten Abtes Placido Pezzancheri wieder.

Daten:

Prof.: 14. Aug. 1711; Abbas: nom. 22. Mai 1717.

Literatur:

Molignini, Luca: Gli abati claustrali dell’Abbazia di Casamari: dall’introduzione della riforma trappista (1717) all’erezione canonica della Congregazione di canonica della Congregazione di Casamari (1929). Casamari: Edizioni Casamari, 2007. ISBN 978-88-86445-12-2.

Zitierempfehlung: Giulini, Livio, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 16.08.2022, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Giulini,_Livio

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