Marschall, Rafael

Rafael Marschall

Rafael Marschall OCist

Zisterzienser der Abteien Zirc und Mehrerau; Gymnasialprofessor; Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium

* 25. Mai 1888 Stuhlweißenburg, Ungarn
09. Juli 1968 Bregenz, Vorarlberg

Rafael Marschall, Taufname Ladislaus (ungarisch László), wurde am 25. Mai 1888 in Stuhlweißenburg [Székesfehérvár] in Ungarn geboren. Sein Vater Ferdinand (Nándor) Marschall war Fabrikant; seine Mutter Anna, geborene Kostyelik, starb 1946 in hohem Alter. Ihr Bruder Gyula (1880–1937) war als P. Kajetán Kostyelik ebenfalls Zisterzienser in Zirc.

Mit zehn Jahren in das Zisterziensergymnasium seiner Heimatstadt eingetreten, bat Marschall nach der Reifeprüfung 1906 um die Aufnahme in die berühmte Zisterzienserabtei Zirc im Bakonyer Wald. Dort legte er 1908 die einfache Profess ab. Seine theologischen Studien absolvierte er zuerst an der Universität Wien, wo er im ungarischen Theologenkonvikt Pazmaneum wohnte, dann von 1909 bis 1913 an der Universität Innsbruck als Alumne des Canisianums. Am 6. August 1911 zum Priester geweiht, war er von 1913 bis 1914 Kooperator an der Ordenspfarre Herczegfalva [Mezőfalva], dann in den Kriegsjahren 1914–1918 Feldkurat der k.u.k. Armee an der Front. Erst 1919 kehrte er als letzter seiner im Militär dienenden Mitbrüder krank als Austauschinvalide aus italienischer Kriegsgefangenschaft zurück.

Danach war er 25 Jahre als Religionsprofessor am Ordensgymnasium Stuhlweißenburg tätig und betreute daneben die Marianische Kongregation, die damals als eine der bestgeführten in Ungarn galt. Wöchentlich hielt er Vorträge, leitete die Mitglieder nach der ignatianischen Methode zur täglichen Kurzbetrachtung an, machte sie mit soziologischen Problemen bekannt und regte sie zu karitativer Tätigkeit an, wie er auch selbst auf diskrete Weise minderbemittelten Studenten half. Dabei verstand er es auch, die geistlichen Berufe zu fördern. Etwa hundert seiner ehemaligen Schüler führte er zum Priesterberuf, darunter der Jesuitennovize István (Stefan) Kaszap (1916–1935), dessen Seligsprechungsprozess 1952 eingeleitet und dessen heroischer Tugendgrad 2006 päpstlich anerkannt wurde. In dieser Zeit verfasste er einen Führer durch die Geschichte und Baudenkmäler von Stuhlweißenburg, der heute noch in der Literatur erwähnt wird.

Wenn auch seine deutschen Vorfahren im Laufe des 18. Jahrhunderts aus dem Rheinland eingewandert waren, fühlte er selbst sich ausdrücklich als Ungar, der die Gebietserweiterung des ungarischen Staates 1939 und 1940 begeistert aufnahm. Als Mitglied der Pfeilkreuzlerbewegung war er in deren Regierung unter dem konservativen Reichsverweser Miklós Horthy, dem er äußerlich zum Verwechseln ähnlich sah, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Nachdem im Winter 1944/45 sowjetische Truppen in Ungarn einmarschiert waren, betätigte er sich wieder in der Seelsorge, musste schließlich auf der Flucht vor der Polizei untertauchen und gelangte am 22. August 1946 nach Österreich. Ein Jahr lebte er im Zisterzienserstift Heiligenkreuz im Wienerwald, dann – der russisch besetzten Zone entkommen – im Stift Schlierbach in Oberösterreich, dessen Abt Dr. Alois Wiesinger sein Mitalumne am Canisianum in Innsbruck gewesen war.

Vom 15. Jänner 1949 bis zum 29. Mai 1951 war er Hausgeistlicher im Benediktinerinnenkloster Aasebaken in Dänemark, wo er Dänisch lernte, dann im Auftrag des Generalabtes Dr. Matthäus Quatember Spiritual der Studenten im Generalatshaus des Ordens in Rom, bis er im Juli 1952 nach Mehrerau kam. Hier war er auf verschiedenen Posten in der Aushilfe tätig, u.a. als Beichtvater und Prediger und in den zu Mehrerau gehörenden Frauenklöstern Frauenthal, Magdenau und Lichtenthal in der Schweiz. Dazu erteilte er in den Oberklassen des Gymnasiums wieder Religionsunterricht (in deutscher Sprache). Mit seinem ehemaligen ungarischen Schülern hielt er die Verbindung durch Rundbriefe, persönliche Schreiben und Treffen, zuletzt 1966 mit den Maturajahrgängen 1957 und 1960 in Mehrerau (siehe Mehrerauer Grüße, Neue Folge, Heft 26, Jänner 1967, S. 6.).

Er starb am 9. Juli 1968 im Sanatorium Mehrerau. Das Requiem hielt sein einstiger Schüler und ungarischer Mitbruder P. Dr. Blasius Fűz, damals Generalassistent in Rom, in zahlreicher Konzelebration, die Beerdigung auf dem Abteifriedhof nahm Prior Dr. Kolumban Spahr vor.

gge, Dez. 2020


Daten:

Prof.: simpl. 1908; Sac.: 6. Aug. 1911.

Werke:

A ciszterci rend székesfehérvári temploma, Székesfehérvár 1928 · Székesfehérvári kalauz – Führer durch Stuhlweißenburg. Székesfehérvár 1930.

Literatur:

Cistercienser Chronik 75 (1968), S. 159 · Mehrerauer Grüße, Neue Folge 29, Sommer 1968, S. 31–35 (P. Kolumban Spahr).

Zitierempfehlung: Marschall, Rafael, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 5.03.2024, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Marschall,_Rafael

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