Otto von Freising
Abt von Morimond, Bischof von Freising, Geschichtsschreiber, Kreuzfahrer
* um 1112 wahrscheinlich Klosterneuburg
† 22. September 1158 Morimond
Otto war der fünfte Sohn des österreichischen Markgrafen Leopold III. von Babenberg (1485 heilig gesprochen) und der salischen Kaisertochter Agnes, die in erster Ehe mit dem Staufer Friedrich I. von Schwaben verheiratet gewesen war. Durch seine Mutter Agnes war Otto der Enkelsohn Kaiser Heinrichs IV., der Neffe Kaiser Heinrichs V., der Halbbruder König Konrads III. und der Onkel Kaiser Friedrich Barbarossas.
Markgraf Leopold III. bestimmte seinen Sohn Otto früh für den geistlichen Stand. Um 1126 berief er ihn zum Propst des 1114 von ihm gegründeten Säkularkanonikerstiftes Klosterneuburg, wobei Otto die Aufgaben als Propst Vikaren übertragen konnte. Kurz danach sandte Markgraf Leopold seinen Sohn Otto mit einem Gefolge von jungen Adeligen nach Paris und in andere französische Städte zum Studium. Otto erhielt dort eine ausgezeichnete Schulung der aristotelischen Philosophie und frühscholastischen Theologie. Er war höchstwahrscheinlich auch Schüler bei den Augustiner-Chorherren von Sankt Viktor. Bei seiner Heimreise 1132 hielt er sich in der Zisterzienserabtei Morimond auf und trat mit etwa 15 Gefährten dort ein. Das Stift Klosterneuburg, dessen Propst Otto bisher gewesen war, vertraute sein Vater Leopold III. kurz danach, 1133, den Augustiner-Chorherren an. Im selben Jahr setzte Markgraf Leopold III. auf Betreiben seines Sohnes Otto die ersten Schritte zur Gründung und Besiedelung der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz durch Morimond. 1138 wählten die Mönche von Morimond Otto zum Abt. Wohl durch den Einfluss seines Halbbruders, des Königs Konrad III., wurde er bereits kurz danach, noch 1138, auf den Bischofsstuhl von Freising berufen.
Die Diözese Freising hatte im Investiturstreit stark gelitten. Bischof Otto setzte Maßnahmen, um das intellektuelle und geistliche Niveau des Klerus zu heben und eine moralische und religiöse Erneuerung seiner Diözese einzuleiten. Er reformierte die Freisinger Domschule und führte in ihr das Studium der aristotelischen Philosophie ein. Er verlangte von den Klerikern einen sittlich korrekten und spirituell bestimmten Lebenswandel. Er besuchte auch entlegene Gegenden seiner Diözese und weihte neu errichtete Kirchen ein. Er übergab mehrere heruntergekommene Klöster neuen Ordensgemeinschaften: Schäftlarn den Prämonstratensern (1140) und Schlehdorf den Augustiner-Chorherren (1140). Innichen wandelte er in ein Kollegiatsstift um (1141). Außerdem gründete er das Prämonstratenserstift Neustift (1140) und das Kollegiatsstift Schliersee (1141). Als Bischof war Otto bei seinen Klostergründungen wohl vorrangig an Orden interessiert, die sich mit Seelsorge befassten.
Mit den Wittelsbachern, die als Vögte im Bistum Freising eine große Rolle spielten, hatte Otto manche Konflikte auszutragen. In den politischen Streitigkeiten zwischen Staufern, Babenbergern und Welfen nahm Otto eine vermittelnde Haltung ein. Er half durch Verhandlungen mit seinen hochadeligen Verwandten mit, dass die Markgrafschaft Österreich 1156 zum Herzogtum erhoben wurde, die österreichischen Babenberger dafür das Herzogtum Bayern den Welfen zurückgaben. Dreimal kam er in diplomatischer Mission zur Vermittlung beim Papst nach Rom. Beim 2. Kreuzzug (1147–1149) führte Otto auf dem Weg ins Heilige Land ein Heer entlang der Südküste Kleinasiens an. Dieses wurde bei Laodizea von den Türken fast vernichtend geschlagen. Otto und ein Rest seiner Truppen entkamen nur knapp mit dem Leben.
Otto gilt als einer der wichtigsten Historiographen des Hochmittelalters. Durch seine ausgezeichnete Bildung und durch seine hochadelige Stellung hatte er Zugang zu zahlreichen Dokumenten und Informationen in Geschichte und Politik. Seine Werke wollen dabei nicht bloße Geschichtsschreibung sein, sondern vor allem auch theologische, philosophische und politische Botschaften verkünden. Seine „Chronica sive Historia de duabus civitatibus“ (Die Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten) enthält in sieben Büchern die Geschichte der Welt und im achten Buch eine Vision des Jüngsten Gerichts. Dieses Werk schreibt Otto als eine theologische Weiterführung der Schrift „De civitate Dei“ von Augustinus. Im Gegensatz zu Augustinus sieht Otto die Civitas Dei auf Erden bereits verwirklicht: Sie bestehe in der Harmonie der geistlichen und weltlichen Gewalt.
Ab 1156 schreibt Otto die ersten zwei Bücher der „Gesta Friderici Imperatoris“ (Die Taten Kaiser Friedrichs). In ihnen gibt er mehrere kaiserliche Dokumente in ihrem Wortlaut wieder. Vor allem hebt er das Wirken Kaiser Friedrich Barbarossas hervor. Vor seinem Tod beauftragte Otto seinen treuen Mitarbeiter Rahewin, dieses Werk zu vollenden.
Auf dem Weg zum Generalkapitel 1158 in Cîteaux erreichte Bischof Otto bereits krank sein Eintrittskloster Morimond. Dort starb er inmitten seiner Klosterbrüder.
Der Leichnam Ottos wurde in der Abteikirche von Morimond beigesetzt. Die Weihe der späteren Abteikirche von Morimond fand 1259 an einem 7. September statt (vgl. Menologium Cisterciense 1952, S. 204). Im Menologium Cistertiense (1620, S. 301f) des Chrysostomus Henriquez und im Rituale Cisterciense (1998, S. 21) wird Otto als Seliger mit Gedenktag am 7. September genannt. In den Erzdiözesen Wien und München-Freising und in manchen Zisterzienserklöstern wird sein Gedenktag am 7. September begangen. Unter dem Sakramentsaltar der Zisterzienserabteikirche Heiligenkreuz werden die Gebeine, die 1954 in den Ruinen der Abteikirche Morimond entdeckt und von 1966 bis 1969 von der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien untersucht wurden, als Reliquien des seligen Otto verehrt.
Pius Maurer, Nov. 2010
Werke:
Hofmeister, Adolf (Hg.), Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus, Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 45 (Hannover ²1912; Digitalisat); dt. Übers.: Schmidt, Adolf (Übers.)/Lammers, Walther (Hg.): Otto Bischof von Freising. Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 16 (Darmstadt ³1974) · Waitz, Georg (Hg.), Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 46 (Hannover - Leipzig ³1912; Digitalisat); dt. Übers.: Schmidt, Adolf (Übers.)/Schmale, Franz-Josef (Hg.): Bischof Otto von Freising und Rahewin: Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17 (Darmstadt ⁴2000).Weitere Quelle:
Continuatio Claustroneoburgensis I–II, in: Wattenbach, Wilhelm (Hg.): Monumenta Germaniae Historica Scriptores 9 (Hannover 1851).Literatur:
Goetz, Hans-Werner: Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts (Köln/Wien 1984) · Grill, Leopold: Das Grabmal des seligen Cistercienserbischofs Otto von Freising, in: Cistercienser Chronik 69 (1962) 69–81 · Haid, Cassian: Otto von Freising, in: Cistercienser Chronik 44 (1932) 59–65. 91–102. 131–144. 189–203. 222–234. 253–267. 287–299. 324–335; 45 (1933) 33–44. 66–77. 101–105. 132–138. 163–175. 205–216. 233–240. 261-277 · Jungwirth, J./Felber, H.: Anthropolische Untersuchung der Gebeine Ottos von Freising, in: Ann. Naturhistor. Mus. Wien 77 (1973) 425-433 (PDF) · Kirchner-Feyerabend, Cornelia: Otto von Freising als Diözesan- und Reichsbischof (Frankfurt am Main 1990) · Schmidt, U.: Otto von Freising, in: BBKL 6 (Herzberg 1993) 1373–1375.Vorlage:Page.name: OTTO von Freising († 1158) – Biographia Cisterciensis